Feuilleton campanaire

26/02/2022

Sitterdorf (TG), kath. Kirche



Zum 1961 etwas abseits des Dorfes am Hang erbauten katholischen Kirchenzentrum gehört ein Glockenturm von breiter, niedriger Statur. Er trägt eines der lediglich drei grösseren Schweizer Geläute der berühmten Heidelberger Glockengiesserei von Friedrich Wilhelm Schilling (c' es' f' as').

Die akustischen Umstände machten die zweifellos hohe Qualität der vier Glocken allerdings lange fast zur Nebensache: Obwohl das Geläute wegen der erheblichen Distanz zum Wohngebiet wenige Anwohner erheblich stören dürfte, so übertraf doch seine gellende Lautstärke in Kirchennähe alles Zumutbare: Die Akustik der geräumigen, lediglich an zwei Seiten durch schmale Fenster geöffneten Betonglockenstube erzeugt im Inneren eine Tonmixtur von ohrenbetäubende Lautstärke, so dass das Geläute mit nahezu konstantem Dauerpegel aus dem Turm heulte.

2020 sollte eine (zugleich als Wetterschutz dienende) komplette Verbretterung der Schlitzfenster dem Übel abhelfen. Diese hätte allerdings den Schall noch mehr entfremdet und ihm zudem jegliche Fernwirkung geraubt. Man fand zu einer besseren Lösung: Zum einen gelang es, durch teils massive Einkürzung der Klöppelvorschwünge den Klang abzurunden und die Aggressivität zu mildern. Zum anderen setzte man an den Schallfenstern Jalousien ein. So präsentiert sich das Geläute in der Nähe nun wesentlich angenehmer, und gleichwohl blieb die Fernwirkung weitgehend gewahrt. Nicht beizukommen ist allerdings dem Umstand, dass aufgrund der unvergleichlichen Resonanz in der Betonstube vor allem auf dem Platz zwischen Turm und Kircheneingang immer noch ein derart dichtes Tongewoge herrscht, dass jede denkbare Frequenz besetzt scheint und jegliche noch so laute Unterhaltung unmöglich bleibt. Ob eine solche während eines Geläuts nötig ist, kann man zwar diskutieren - aber bestimmt nicht hier auf dem Kirchplatz...

Matthias Walter, Glockenexperte
Fabian Thürlimann, beratender Glockenspezialist