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29/05/2011

Stören Glocken den Schlaf ?


Anmerkungen zur Studie der ETH Zürich

„Stören Glocken den Schlaf ?“

vorgestellt von PD Dr. Mark Brink am 25.05.2011 in Zürich / Schweiz


Der hier Schreibende fühlt sich der Europäischen Glockentradition verbunden und ahnte bereits bei der Ankündigung dieser Studie, dass deren Resultate von den meist kirchenkritischen Massenmedien in einer einseitigen und undifferenzierten Weise verbreitet würden, was ab dem 26.5.2011 leider prompt eintrat.

Deshalb besuchte er den Vortrag zur Studie von Dr. Mark Brink am 25.5.2011 in der ETH Zürich, um sich ein eigenständiges Bild von diesem Forschungsprojekt zu machen. Wie zu erwarten, offenbarten sich dabei Schwachpunkte und Fragezeichen, welche in der „Veröffentlichten Meinung“ überhaupt nicht kritisch hinterfragt wurden. Dies soll hiermit nachgeholt werden, um den Entscheidungsträgern in den Kirch- und Gemeinde-Behörden, und allen am Erhalt der Europäischen Glockenkultur interessierten Kreisen, eine differenzierte und kritische Beurteilung der Studienresultate zu erlauben.

Die Studie von Dr. Brink et al. registrierte via Hirnstrom-Messungen hauptsächlich unbewusste kurze Aufwachreaktionen, wie sie bei gesunden Personen, auch ohne Geräusche, etwa 30 mal pro Nacht auftreten, und korrelierte diese mit den aufgezeichneten Glockentönen. Eine kurze Beschreibung der Studienanlage und der Ergebnisse findet man z.B. in der NZZ vom 26.5.2011 auf S.21:
http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/stadt_und_region/glocken_stoeren_staerker_als_bisher_angenommen_1.10703771.html

Oder auf dem Online Portal „ETH Life“ der ETH Zürich:
http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/110526_kirchenglocken_phn/index

Zu den Studienresultaten können dank der Detailinformationen aus dem Vortrag folgende Vorbehalte angebracht werden:

1) Es stellt sich die Frage, ob lediglich 27 untersuchte Freiwillige (!) ein wirklich repräsentatives Abbild der Bevölkerung darstellen können. Deshalb ist die Hochrechnung auf angeblich 25'000 Betroffene im Kanton Zürich, die grösstenteils wohl nichts von ihrer "Betroffenheit" ahnen, ziemlich fragwürdig. Zumal nicht untersucht wurde, wie lange die Testpersonen schon in der Umgebung der Kirche leben, und daher der Gewöhnungseffekt nicht berücksichtigt wird.

2) Die Messungen der Studie wurden grundsätzlich bei geöffnetem Fenster (gekippt oder halb offen) durchgeführt. Bei der Hochrechnung auf die Gesamtbevölkerung ging man wie selbstverständlich davon aus, dass alle Menschen mit derart geöffneten Fenstern schlafen, was mit Sicherheit nicht zutrifft, weil viele Menschen Zugluft nicht vertragen oder andere Geräusche (Verkehr, Passanten, früh-morgendliches Vogelgezwitscher, etc.) vermeiden möchten.

3) Bei der Auswertung der Studie wurde bereits eine einzige zusätzliche unbewusste Aufwachreaktion (bei etwa 30 natürlichen pro Nacht) als Schwellenwert für eine Störung durch Glocken definiert. Dies ist alles andere, als eine konservative Interpretation! Das hiermit die Schwelle für eine angebliche Schlafstörung durch nächtliche Glockensignale extrem tief angesetzt wurde, zeigt sich auch daran, dass schon eine moderate Absenkung der mittleren Lautstärke um 5 dB, mehr als 90 Prozent aller hochgerechneten Schlaf-Störungen eliminiert.

Folgerichtig kommt selbst der Online-Bericht der ETH Zürich zu dem Schluss: „Deshalb stellen die auf Glockengeräusche zurückzuführenden Reaktionen grundsätzlich keine Verschlechterung der Schlafqualität dar.“

Fazit: Somit ist es durchaus möglich, dass die bisherige kritische Schwelle von 60 dB weiterhin real zutrifft, unter der Annahme, dass erst ab diesem Schallpegel die Wahrscheinlichkeit für zusätzliche unbewusste Aufwachreaktionen auf ein Niveau steigt, ab dem eine tatsächlich wahrnehmbare Verschlechterung der Schlafqualität nachvollziehbar würde.

Autor: Dr. Konrad Noll, Wettingen
Mitglied der „Schweizer Glockengilde GCCS“ und des „Deutschen Glockenmuseums e.V. DGM“

 

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